2009-11-22

Ein letztes Abenteuer in Australien

09.11.2009, 03.24 Uhr. Das Wetterglas zeigt 1012 Hectopascal. Ein zerfleddertes Notizbuch neben mir ist beschriftet mit: Subject: Fishkilling. Vor drei Wochen bekamich ein Job als Fischer auf einem professionellem Kutter, 15 Meter lang, 6 Meter breit, die "Tuloch Ard". Nordwestlich von Australien, in der Timor See sind Makrelen die erwuenschte Beute.

Die Crew: Sam, Skipper; Pete, Deckhand und ich, auch Deckhand und vor allem: Neuling. Weiss nicht was zu tun und stehe im Weg, waehrend Pete macht. Erklaerungen sind rar auf See. Gelernt wird durch Beobachten und selber machen. Hier und da kommt dann mal ein Tip, ein Handgriff, ein Knoten. Gefischt wird nachts. 1000 Meter Netz werden mittels einer Winde in den Ozean entlassen, wobei kleine grosse Styroporbaelle-Bojen dran geklippt werden. Dann lassen wir uns auf der "bouncy little bitch", wie Sam treffend formulierte, fuer anderthalb Stunden treiben, unser Kilometerfanggeraet im Schlepptau. Moeglichst gezielt soll das Ganze geschehen, ueber "FADs" (Fish attracting devices, tiefere Riffe, unebener Boden...) hinweg.

Zieh die Schuerze an, Handschuhe, Gummistiefel. Die Winde dreht sich in die entgegengesetzte Richtung, das Netz kommt rauf. Waehrend Sam noch rauchend im Fahrerhaus sitzt, stehen wir draussen, 20 Centimeter lange Haken in unseren Haenden, um in freudiger Erwartung hunderte von Fischen aus dem Netz zu ziehen. Statt Unmengen von Makrelen, gibt es Pomfrets, kleine runde doofe Dinger, viele Haie von niedlichen 40 Centimetern bishin zu einem Monster von 5 Metern, Thunfische. Was auch immer, wir rissen alles raus und dann kommt auch der Skipper, barfuss, Schuerze ueber, schaerft sich ein Messer und schneidet Fische auf. Er ist 56, fischt seit 38 Jahren und wolle sich jung halten, sagt er. Seit 5 Jahren geschieden entdeckt er nun die Frauen in den Vierzigern. Zwei Freundinnen haben gerade Schluss gemacht, aber die Dritte sei sowieso die Wichtigste, hat gerade ihr Haus verkauft und kommt jetzt zu ihm nach Darwin, nach Australien. Die beiden kennen sich von angesicht zu angesicht eine Woche lang von vor einem Jahr in Neuseeland. Mandy ist "Kiwi", wie auch Sam und Pete. Pete,28, ist ausserdem noch Maorie und hat 4 schnuckelige Kinder, darunter Zwillinge. In 3 Tagen Heiratet er die Mutter der Bande und ich fliege nach Spanien.

Nach dem die Fische alle raus sind, ausgenommen (ein Blutbad jedes Mal), sortiert in Gefrierraum und Salzwassertank geht das Netz wieder raus und wir warten die naechsten 90 Minuten. Vier "Shots" pro Nacht wenn moeglich. Der erste kurz nach Sonnenuntergang, die letzten Fische sterben unter dem Messer, wenn sie wieder aufgeht. Bacon-Egg-Baked Beans on toast Fruehstueck, Dusche und ca. um 10 Uhr geht es runter in die gemeinschaftliche Koje, auch "pigbin" genannt, bevor es am fruehen Nachmittag in die Nach- und Vorbereitungen geht.

So vergehen die Tage. Meine Haende wurden rauh, rissen auf, voller Wunden schwollen sie an. Drauf pinkeln soll helfen wurde mir mehrmals versichert, doch es wurde nicht schlimm genug um in ernsthafte Versuchung zu geraten. Die See ist wunderbar, voller Charakter, voller Launen, so schlicht und schoen vermittelt sie mir ein Gefuehl von Freiheit. Keine Knoellchen, keine Verpflichtungen, keine Regeln, nur Schaukeln zwischen Wasser und Luft. Ein bisschen Abgas, Motorenlaerm und Fischblut spielen auch eine Rolle koennen aber vernachlaessigt werden.

Australien ist das Land in dem Hunde Strafzettel bekommen, sich Freitag Abend um 8 Uhr im Pub die Kleiderordnung aendert. Alle muessen gleich aussehen, moeglischst coole Surfshorts und -shirts mir bloeden Spruechen drauf. Sneakers. Keine Flip Flops, kein aermelloses Hemd fuer Maenner (Frauen duerfen auch nackt,Wet T-shirt Contests ueberall). Darwin ist eine Kroete von Stadt, ein Musterbeispiel von relativ junger dicht besiedelter Zivilisation im Lande Oz, ohne jegliche Spannung, voller unheimlich viel Geld verdienender Leute. Auf dem Wasser kann ich aufatmen. Ich traeume die intensivsten Traeume waehrend der Wartezeiten in der Nacht, draussen auf dem Fischtank liegend, dahindoesend.

6.37 Uhr. Toast mit Marmelade nachdem wir vor Darwin Anker warfen. In zwei Stunden entladen wir am Fisherman's Wharf. Die Zeit auf dem Boot ist vorbei, wie auch die Zeit in Australien. Ich sage Danke zu Sam und Pete, Danke zu den lieben Menschen, die ich getroffen habe. Der naechste Abschnitt beginnt. Ich gehe zurueck zu Paula, meiner Liebe. Spanien erwartet mich, wieder ein neues Leben. Einige Dinge sind klarer, vieles ist immer noch unklar, verschwommen in weiter Ferne. Nichts worueber man sich sorgen muesste. Ausgesprochen gut geht es mir, ungestillte Sehnsuechte geniessend - mit einem Laecheln fuer was auch immer kommen mag. Die Auswahl an Moeglichkeiten...es faellt noch immer schwer Entscheidungen zu faellen, so viel zu tun. Paula und ich werden fuer eine Woche nach Marokko fliegen und erkunden uns gegenseitig. Vier Monate ohne einander. Doch Zeit kann man eigentlich gar nicht messen. Es war lang, es war kurz, es war gut.

Die letzten Erledigungen und los geht es. Ich kehre Australien den Ruecken, ein Land in dem das Leben einfacher zu sein scheint. Es gibt Jobs, gute Bezahlung, grenzenlose Moeglichkeiten, aber es fehlt an Atmosphaere, an Individualitaet, an Kreativitaet, an Kultur und Zusammengehoerigkeitsgefuehl. Prioritaeten muessen gesetzt werden. Ich gehe nach Spanien, wo das Gegenteil der Fall zu sein scheint (HOFFE ich).

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